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Heute, da ich am Wasser sitze, auf einer Steinbank der Gemüsebrücke, heute da ich ins Wasser blicke und mir mein Dasitzen neben dem Sterbenden und all das, was mir in dieser vielleicht guten Stunde durch den Kopf ging, so präsent ist, als wäre es gestern gewesen, heute frage ich mich: mit beiden, Wolfgang und Andreas hat mich letztlich das Schweigen verbunden. Aber es war nicht dasselbe Schweigen. Sie waren höchst unterschiedliche Schweiger. Schwierig, in Worte zu fassen, worin sie sich unterschieden.
Andreas' Schweigen war Verzicht. Weigerung, tiefer als die äussere Wirklichkeit zu gehen. Das Leben nicht komplizierter als nötig machen wollen. Auch Konzentration. Kräfte freihalten für wesentliche Schritte. Lauerndes Energiesparen. Oder militärisch-strategisches Abwarten. Warten auf den richtigen Moment, um ein Geschoss, eine Waffe optimal plazieren zu können, um mit minimalem Aufwand maximalen Schaden anzurichten.
Wolfgangs Schweigen hingegen war Poesie. Die äussere Wirklichkeit nicht in Worte fassen und damit festhalten wollen. Dem Inneren, dem Klingen mehr Raum geben. Die Hände sprechen lassen, die eine deutlichere Sprache kannten als die Sprechorgane. Worte waren in Wolfgangs Empfindungswelt nur allzuoft Gräben, Anlässe zu Missverständnissen. Regten zu immer genaueren Erläuterungen an, die nicht zusammenführten, sondern Unterschiede aller Art betonten. Diese wollte er übergehen, überstreicheln.
Ein weibliches Empfinden? War Wolfgangs Schweigen ein weibliches und das von Andreas ein männliches? Zumindest waren sie zutiefst antipodisch. Hätten sich die beiden Männer, hätten sie sich gekannt, auch verstanden? Hätten sie eine gemeinsame Ebene gefunden? Eine gemeinsame Sprache? Ein gemeinsames Konversationsthema? Manchmal frage ich mich, ob Männer das überhaupt können.