Idylle

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Situation: Hier eine Familie am Tag ihrer Auflösung: Mami Hausfrau, Papi erfolgreicher selbständiger Geschäftsmann, drei Kinder, ein Sohn und zwei Töchter; da eine berufstätige alleinstehende Frau mit Mutter.


Der Mofafahrer

Am Vormittag nach einer Party erhält die Familie Besuch eines unbekannten jungen Herrn. Der Hausherr ist noch da. Der Besuch sagt was von ganz heisser Sache, Vulkan, explosiver Stoff. Doch das ist vorher, am Handy, auf der Hinfahrt. Im idyllischen Landhäuschen angekommen, hat er keinen Wind in den Segeln mehr, weil ihm zu Ehren ein kleines Fest veranstaltet worden ist, ein Apéro auf ein Zahlenspiel zwischen seinem Geburtsdatum, Mofa- und Telefonnummer und dem aktuellen Datum. Er erhält eine kurz vorher ausgedruckte Karte mit dem Zahlenspiel, der Hausherr hält eine kurze Rede, dann gibt es Champagner für die Erwachsenen, Kuchen vor allem für die Kinder, alles auf dem Rasen hinter dem Haus.

Der Mann wird beglückwünscht und gefeiert und dann schnell verabschiedet. Er hat keine Zeit und Gelegenheit, seinen Knüller zu starten, sondern schwingt sich auf sein Motorfahrrad (in der Art einer Vespa mit dem Anhänger eines Zeitungsverlags) und fährt davon. An der Garagenausfahrt und dem anschliessenden kurzen Wegstück bis zur Landstrasse beginnt er zu husten und unsicher zu fahren, er schwankt immer stärker, fährt zunehmend schlenkernd. Nach ein paar Minuten Fahrt auf der Überlandstrasse fährt er schliesslich in einen Kleinlieferwagen seiner Fahrspur hinein, verkeilt sich mit diesem und bleibt hängen, wird über längere Zeit mitgeschleppt.


Der Kleinlieferwagen

Es ist ein sonniger, beinahe wolkenloser und windstiller Frühlingstag. Auf einem schnurgeraden Strassenabschnitt einer zweispurigen Überlandstrasse fährt ein Kleinlieferwagen.

Der Beifahrer zum Fahrer: "Fahr nischt so schweinisch, die lischthupe ja alle."
Der Fahrer: "Do schtimmt was ned. Guk mal in der Rückspiegel, i säh nix."
"Also isch sitz nisch davor", sagt dieser und drückt sich in seinem Beifahrersitz zurück.
"Mann, bisch du ei Drottel", sagt der Fahrer, "nicht du, der Spiegel, där muss völlig deppert verdreht sei, mach ma was."
"Isch seh nix", beharrt der Beifahrer " und stark verdreht kommt der mir nischt vor."

Der Lastwagen hinter ihnen hupt wie verrückt. "Dammich, i kann den Laschtwage hinter mir ned sähe. Geh ma zur Said, i mach selbst."

Er lehnt sich im gleichen Tempo weiterfahrend über den Beifahrer, kurbelt das Fenster runter, immer mit einem Auge kurze Zwischenblicke nach vorne auf die Strasse werfend und rasche Fahrtrichtungs-korrekturen am ans Knie geklemmten Steuerrad. Steckt den Kopf zum Beifahrerfenster, so gut er kann, murkst am Spiegel herum.

Die Entgegenkommenden lichthupen nun nicht nur, sondern hupen wie verrückt. Der Schwabe wirft einen entnervten Blick über die Schulter nach vorn, korrigiert seine Fahrtrichtung zurück auf seine Spur des völlig geraden Strassenstücks, kann den Spiegel endlich so richten, dass er etwas sieht. Jetzt entdeckt das Problem.

"Da isch einer eingeklemmt, den schlepped mer mit. O du heilige Scheisse." Setzt sich zurück ans Steuer und fährt weiter.
"Lass misch mal schaue", meint der Saxe und streckt nun selbst den Kopf zum Fenster hinaus. "Du der ischt im Kopf eigeklemmt, das sieht gar nisch gut aus. Halt doch an."
"Kann i denn anhalde, du Quatschkopf, da isch kei Mööglichkeit. Schau doch selbst, der Verkehr. Alles voller Audos. Muss warte bis an Ausfuhrschtell kommt."
"Dann mach schnell, du das ischt gefährlich, wenn dem was passiert..."
"Däm isch scho was passiert. I kann ned zaubere, hör jetzt auf mit Gequatsche."

Sie finden eine Ausfuhrmöglichkeit und klinken sich aus dem Verkehr aus, steigen aus. Der Eingeklemmte ist offensichtlich bewusstlos, lebt aber noch. Teile seines Motorrads hat er mitgeschleppt. Sie fädeln ihn aus, untersuchen ihn. Er röchelt, der Kopf, mit dem er eingeklemmt war, ist aufgedunsen und rot. Fleischige, rote Ohren, störrisches dunkelblondes Haar, poröse Haut, zu Korpulenz neigender Körper. Billige Kleidung. Keine Brieftasche, kein Ausweis. Die muss er unterwegs verloren haben.

"Jo guck, die hindere Hosetasch ist total zerfläddert. Was drin war, muss weggefloge sei."

Die Innentasche der Jacke: leer. Die Hosentaschen: ein Schlüsselbund und ein angebrochenes Päckchen Stimorol. In der linken, an den Kleinlastwagen gepresst gewesenen Seitentasche seiner marineblauen Jacke steckt der gefaltete Ausdruck des Spontan-Apéros mit dem Zahlenspiel. "guck mol, do schtehd 'dei Telefonnummer'. I wähl die mal."

Der Fahrer nimmt sein Handy raus, wählt die Nummer, und im einem Fach vor dem Motor des mitgeschleppten Mofateils ertönt eine Sonate. "Des isch sei eigne Händinummer, dammich!"

Die beiden Kleinlastwagenfahrer rätseln. Mit einem der Schlüssel aus dem gefundenen Schlüsselbund öffnen sie das Fach. Neben Handschuhen, einem Schal und ein paar Werkzeugen finden sie darin ein Kärtchen mit einer weiteren Telefonnummer, die sie natürlich sofort wählen, wenn sie schon mal dran sind, doch sie ist besetzt.

"Was machme jetzt?" kratzt sich der Schwabe am Kopf. "Na, ein Notarzt", meint der Saxe, "den Unfall melden, sonst kriesche mer Schwiirikaide. Habe uns doch alle gsäe."


Die Familie

Papi: ein erfolgreicher, selbständiger Geschäftsmann. Dunkles Haar, Vollmondgesicht, stämmige Statur. Mami: eine hübsche blonde schlanke, fast knochige Hausfrau. Sohn: ungefähr 12, dunkelhaarig, sportlich. Töchter: ungefähr 10 und 7 Jahre, beide blondes steckengerades Haar, dünn, die ältere vif und knochendürr, die jüngere etwas ruhiger, noch mit Babyspeck.

Sie wohnen in einem Haus auf dem Lande: im unteren Stockwerk Küche, Hausarbeitszimmer, Entrée, Klo, Durchgang zur Garage und ein Gästezimmer im Halbkreis um ein grosszügiges Wohnzimmer angeordnet, das auf eine Terrasse mit grosser Rasenfläche hinausgeht. Die Rasenfläche fällt nach etwa 20m ab, lässt einen weiten Blick frei. Von der ans Gästezimmer grenzenden Wand des Wohnzimmers aus führt eine Treppe zum oberen Stockwerk, in dem halbkreisförmig und gallerieartig die beiden Kinderzimmer, das Bad ein Büro und das Elternschlafzimmer angeordnet sind. Eine Balustrade aus weiss bemalten Holzstäben schirmen zum Wohnzimmer ab, das sich über zwei Stockwerke erstreckt.

Eines Abends findet in diesem Haus eine Party statt, zu der offensichtlich sehr unterschiedliche Leute eingeladen sind. Unter anderem ein Mann, mit dem sich die Hausfrau offensichtlich gespielt-unbeteiligt unterhält. Als seien sie sich fremd. Doch ihre Gesten verraten sie.

Die Kinder sind in ihre Betten geschickt worden. Die ältere Tochter erwacht vom Partylärm, schleicht sich zur Galerie, entdeckt unter den Gästen den Mann durch die Stäbe der Galerie: er hat schütteres, honigblondes Haar, eine hohe Stirn, ein langes Gesicht und schlaksige Figur mit langen Armen und Beinen. Mami tritt an ihn heran, bringt ihm ein Glas mit einem Getränk. Seltsam, wie sie sich gleichen, wie Geschwister. "Er sieht aus wie wir", denkt das Mädchen.

Mami und der Mann stossen mit ihren Gläsern unerwartet heftig an, dabei schwappt ein guter Tropfen auf sein Hemd. Sie entschuldigt sich wortreich und bittet ihn, ihr ins obere Bad zu folgen. Die beiden kommen die Treppe hinauf. Schnell huscht die Kleine ins Zimmer zurück, hört aber noch, wie Mami dem Mann zuraunt: "wieso bist du gekommen?"

*

Die Party ist vorüber. Am nächsten Tag ist ein Autounfall in der Zeitung, der sich kurz nach Mitternacht weniger als 100m vom Landhaus der Familie ereignet hat. Ein Selbstunfall. Der Fahrer, offensichtlich alkoholisiert und am Steuer eingeschlafen. Dem Text ist ein Bild hinzugefügt. Eine mit scharfem Blitz aufgehellte weisse Gestalt im Schwarz des nächtlichen Autoinnern. Trotzdem erkennbar: Er, ist sich die ältere Tochter sicher.

Sie blickt auf. Mami hat die Serviette an den Mund gepresst und schaut in die Leere. Realisiert den Blick der Tochter, reisst sich zusammen, fragt, ob sie genug habe. Keine Antwort auf die Frage nach dem Mann.

Zwischen Mami und Papi schwelt was, so gewittrig war es noch nie. Streiten tun sie sich eigentlich nie, nur jeweils "überlegen, was das beste ist" und "strategisch richtig handeln". Doch heute? Offensichtliche Differenzen, geschickt an den Kindern vorbei geführt, diskret und kultiviert und dennoch spürbar. Das Wort "Testamentsänderung" fällt.

Papi verlässt das Haus durch die Garagentür, kehrt aber zwei Minuten später wieder zurück. Es geht nicht, ich hab eben einen Anruf auf dem Geschäftshandy erhalten." Wer? Der Mann auf dem Mofa, stellt sich heraus, er hat sich ankündigt, er sei unterwegs zu ihnen. Er hat eine "Bombenstory, Dynamit, einen Vulkan" angedeutet, sagt Papi.

Mami und Papi tauschen einen kurzen Blick, wie immer, wenn es etwas "zu organisieren" gibt, spannen sofort zusammen, gehen rauf ins Büro an den Computer, sind sich einig, dass sie auf Ablenkung machen müssen und ihn nicht zu Wort kommen lassen dürfen. Sie hecken die Anfänge des Zahlenspiels aus. Das Datum. 2001, davon 01, er ist am Januar geboren. Die Handy-Nummer hat zweimal 26 drin, heute ist der 26. Aber April? Was machen wir mit dem April? Papi hirnt, Mami geht runter in die Küche, bereitet mit Resten des gestrigen Abends einen Spontan-Apéro vor, und schon kommt der Gast. Zusammen mit der Türklingel summt im Büro der Drucker.

*

Mami begrüsst den Gast freundlich, sie ist bekannt für ihre Herzlichkeit. Der Hausherr? "Bin schon da!" ruft Papi aufgeräumt, und kommt die Treppe hinunter, ein gefaltetes Blatt in der Hand. Auf dem Blatt steht gross, fett und farbig das heutige Datum: "26.04.2001", darunter stehen ein paar weitere Zahlen, durch feine Linien mit dem Datum verbunden.

Der Gast wird durch das Wohnzimmer und über die Terrasse auf den Rasen geführt, wo ein Stehtischchen aus Aluminium steht, auf dem der Spontan-Apéro angerichtet ist. Offensichtlich kennen die Eltern den unerwarteten Gast. Er wird nach dem Befinden gefragt, dann, ob seine Fahrt gut verlaufen sei. Das Wetter sei heute wieder einmal zum bäumeausreissen, röhrt Papi gutgelaunt, dann lässt er die Katze aus dem Sack, streckt dem unerwarteten Gast das frisch ausgedruckte Blatt in die Hand, "was für ein Zufall, dass du ausgerechnet heute kommst, und mit deinem Mofa, das das Nummernschild 40400 trägt!" Papi beginnt eine Spontanrede, die das Zahlenspiel erklärt. Dem Mann wird ein Glas Champagner in die Hand gedrückt, und er wird in ein Gespräch über Zufall und Vorsehung verwickelt.

Nach einer knappen Viertelstunde schaut Papi auf die Uhr, "nun muss ich wirklich gehen, bin mit meinem Notar verabredet", verabschiedet sich herzlich, bittet den Gast, bald wiederzukommen, geht durch das Haus und die Garage hinaus. Der Motor seines Autos ertönt.

Mami komplimentiert den Gast genauso geschickt hinaus, begleitet ihn zu seinem Motorrad zurück. Er schnallt sich den Helm an, ein Erbstück seines Grossvaters, wie er erklärt, startet den Motor. Die Tochter sieht ihn aus dem oberen Badezimmerfenster hustend wegfahren.

Auch Mami schaut verwirrt, der abfahrende Gast hustet noch in der Garageneinfahrt und auch in der Verlängerung, dem Strässchen zur Überlandstrasse, in die er leicht schwankend einbiegt. "Auwei", sagt Mami laut auf dem Platz vor der Haustüre. Sie kommt ins Haus zurück, schiebt sich an den Kindern vorbei ins Hausarbeitszimmer, tritt zum Wäschekorb, in dem sie wühlend etwas sucht. In einer Ecke findet sie etwas, zieht es heraus, ruft nochmals aus: "auwei."


Gespräch im Kinderzimmer

Der Sohn ruft die ältere Tochter ins Kinderzimmer. Die Kleine schieben sie raus, es sei ein Gespräch für die Grossen, sie störe nur. Er erzählt ihr, dass er von Papi ein Mountainbike samt Ausrüstung versprochen erhalten habe, einfach so, ohne Anlass. Das sei noch nie vorgekommen. Und sie erzählt ihm weinend, dass er ihr mitgeteilt hat, dass ihr Sommerlager gestrichen worden sei. Die beiden rätseln, was geschehen sei. "Wieso, was ist los, was hab ich falsch gemacht, ich bin nicht böse gewesen!" Und der Knabe: "ich weiss nicht, was ich getan habe, womit ich dieses Traumrad verdient habe."

Dann unterhalten sie sich über den Mann an der gestrigen Party. Er ist beiden aufgefallen. "Er sieht aus wie ihr beide", sagt der Bruder. Und weisst du was? Ich sehe gar nicht aus wie Mami, ist mir gestern aufgefallen. Glaubst du wirklich, wir sind Geschwister?"

Die Schwester: "Klar doch, wir wohnen in der selben Familie."
"Nein, nicht so", meint der Bruder, "richtig. Gleicher Papi, gleiche Mami."
Keine Antwort. Zu schwierig.
Die Schwester wechselt das Thema: "dann hast du also auch spioniert?"

"Ja", sagt er, "ich hab vom Bett aus, durch die offene Zimmertür hinaus geschaut. Auch dich hab ich gesehen, wie du an den Stäben gehockt bist und ins Zimmer zurückhuschen musstest, als Mami und der Mann ins Badezimmer gekommen sind. Ich bin erst erwacht, als du deine Zimmertür geöffnet hast. Weil sie quietscht. Hab die beiden zum oberen Bad gehen sehen, ganz ruhig und distanziert. Aber das war nur äusserlich. Ich glaube da war was wie eine Spannung zwischen ihnen. Er hat genau gewusst, wo das Bad ist. Und sie haben die ganze Zeit geflüstert. Der Mann ist im Bad verschwunden. Mami ist runtergegangen und der Mann hat sich kurze Zeit später verabschiedet. Am Schluss war ich nämlich auch am Geländer. Aber mich hat niemand gesehen. Niemand hat hochgeschaut."

Am Schluss zeigt der Bruder der Schwester die Zeitung, die er in sein Zimmer geschmuggelt hat. Er schlägt das Bild vom Unfallopfer auf. "Glaubst du, dass er's ist?"

"Ganz sicher." Sie sind sich einig.
"Gestern abend, nachdem er hier war..."
"Was meinst du damit?" fragt sie schnell.
"Nichts", sagt er.


Die Berufstätige

Während Mami im Hausarbeitszimmer ist, klingelt das Telefon. Sie lässt keines der Kinder ran, nimmt ab, nennt ihren Namen, sagt nur "ja" und "nein" und "wenn's sein muss, kommen sie gerne, unser Haus ist offen".

Sie hängt das Telefon nicht auf, sondern geht direkt in die Küche, um das restliche Geschirr vom Abend, vom Frühstück und vom Spontan-Apéro in die Maschine zu füllen. Ganz schnell arbeitet sie heute, bittet keines der Kinder, ihr zu helfen.

Sie lässt die Maschine laufen und macht den Rest von Hand. Auch das ist ungewöhnlich.

Dann kommt der Besuch. Eine berufstätige Frau, korallenrotes Kostüm, schlank, sportlich, eine freche Kurzhaarfrisur. Die gleichen roten Wangen wie der Sohn, eine ähnlich spitze Nase, das selbe schwarze Steckenhaar mit vielen Wirbeln. Mami führt die beiden ins sonnendurchflutete Wohnzimmer.

Die Frau sagt, sie habe von ihrer Freundin von der gestrigen Party erfahren. "Sie hat mir vom Hausherrn erzählt, und sie hat mir die drei Kinder beschrieben." Sie habe realisiert, dass er es sei, ihr Sohn, der ihr vor 11 Jahren "abhanden gekommen" sei, und den sie sehr vermisse. Die beiden Mädchen seien wohl vom Mann, der gestern Nacht tragischerweise verunfallt sei, auf seinem - sie betont das Wort und zieht den Rest des Satzes in die Länge - Heimweg von der Party.

Sie tauscht einen bedeutungsvollen Blick mit ihrer Mutter, einer etwas korpulentren Endfünfzigerin mit schwarzem, weiss durchsetztem, in nicht erkennbarer Kurzhaarfrisur getragenem Haar und einem dezenteren, weniger auffallenden, tannengrün, dunkelblau und braun karierten Kostüm, die die ganze Zeit schweigend neben ihr sitzt wie ein Bodyguard.

"Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Ihr Mann von Ihren Machenschaften weiss", sagt die junge Frau in Korall. Und dann lässt sie eine langen Tirade los: "Hören Sie mal, Frau ... es kann schon sein, dass Sie so vermögend sind, dass sie sich ein komfortables ruhiges Leben in dieser Villa auf dem Lande leisten können. Und Ferien in Gstaad und ähnliches. Und modernen, teuren Schmuck tragen..." - "Sie überschätzt mich bei weitem", denkt Mami, sitzt aber gekonnt auf ihren Mund. - "...aber Ihr Mann gehört mir. Und damit das Haus und sein Geschäft und alles. Und mein Sohn. Ich habe sie beide lange vermisst und liebe sie sehr." Sie schnupft gekonnt in ihr korallenrotes, bordeaux umhäkeltes Taschentuch. "Ich will meinen Sohn und meinen Mann zurück."

Dann macht sie einen Vorschlag: "Wir tauschen und ich schweige. Ich erhalte das Haus, den Mann, die Kinder, ja, ich übernehme auch die Mädchen, und sie können meine Wohnung und meine Stelle haben. Als Gegenzug dazu schweige ich zum Thema der Kindesentführung. Ziehe meine Klage gegen Unbekannt zurück. Wenn Sie allerdings zum Tausch nicht bereit sind, werde ich in meiner Klage konkreter."

Mami macht Pokerface. "Rauskommen, aus dieser Situation, die ganz plötzlich so schwierig geworden ist", denkt sie, "es ist wie ein Traum, so leicht."


Epilog

Während dieses Gesprächs am massiv fichtenen Familientisch im Wohnzimmer bin ich aufgewacht.

Die beiden Männer am Strassenrand sind noch am Telefonieren, während sie auf die Ambulanz warten, doch die Leitung ist ständig besetzt. Sie fluchen.

 

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