Terka. Steine ins Rollen bringen.

Das Buch
ISBN 978-0-85727-195-2
Ungarn in den 1910er-Jahren: Ein junges Mädchen im Strudel einer in Flammen geratenen Welt. Grossmama Katò Kiss' stark autobiographischer Entwicklungsroman. Die junge Terka, aufgewachsen als siebtes Kind landwirtschaftlicher Angestellter auf einer gräflichen Tanya im Süden Ungarns, folgt der Einladung ihres ältesten Bruders, des stolzen und engagierten Sozialisten Jani nach Budapest, vordergründig um einen Beruf zu erlernen, doch mit dem Vorsatz, ihre Brüder 'aus den Klauen des Satans' zu retten...
Das Hörbuch
Das Buch wird durch Anny Weiler in sehr charmanter und einfühlender Weise als Hörbuch gelesen. Die mp3-CD mit ca 12 Stunden Laufzeit kostet CHF 20.- hier bestellen).

In in print ist es bei der Frankfurter Verlagsgruppe erhältlich.

Interview mit Radio LoRa: Hintergründe.
(August 2011, schweizerdeutsch)

Lesung in Ehingen/Donau (Oktober 2014)

Hörproben

Autorenlesung (Buchvorstellung bei Publikation 2013)

Anfang: Schloss und Diphterie
Empfangskommittee: Terkas erste Heimkehr auf die Puszta
Blutroter Donnerstag: Aufmarsch der Satansverbündeten
Fräulitschko: die Kunst des Bügelns
Zwei Seiten: Großonkels geduldige Weisheit
Regelkreis: Diskussion Gyurka-Joschka auf der Krankenstation
Ungleiche Geschwister: Terka und Jani, West und Ost

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Frühlingserwachen in Ungarn

Dieser historische Roman von Katò Kiss, der von Regina Rinaku redigiert wurde, führt uns nach Ungarn in der Zeit von 1907 bis 1919. Er widmet sich diesem besonderen Abschnitt der ungarischen Geschichte und damit auch dem europäischen Geschehen, das geprägt ist durch den Ersten Weltkrieg und die erstarkende Arbeiterbewegung.

Der Epilog des Romans verdeutlicht bereits den gravierenden Widerspruch im gesellschaftlichen System; es ist Frühling, aber für die Kinder, die in der Nähe des Schlosses der Grafenfamilie aufwachsen, ist diese schöne Jahreszeit eine Katastrophe. Diphterie bricht aus und viele von ihnen sind dem Tod geweiht.

Die Hauptgestalt Terka ist ein unter ärmlichen Verhältnissen in der Puszta heranwachsendes Mädchen, das schon als Kind mit ihrem flammend roten Haarschopf ein Aussenseiter ist, aber auch in frühen Jahren bereits durch ihre Ernsthaftigkeit auffällt. Ihre Mutter starb infolge der völlig unakzeptablen Lebensbedingungen und der Härte der Arbeit, als Terka drei Jahre alt war. Terka wird im Glauben zu Gott erzogen und bekommt immer wieder von ihrem Vater zu hören: 'trage, wie Christus getragen hat'. Der Vater ist es auch, der ihren Entschluss, nach Budapest zu gehen, um eine Ausbildung zu beginnen, nicht akzeptiert. Terka aber folgt ihrer inneren Stimme und meint, dass sie diesen Schritt tun muss, denn sie will ihre Brüder Jani und Gyurka, die ebenfalls in Budapest wohnen und sich sozialistischen Ideen zugewandt haben, 'aus den Klauen des Satans befreien'. Bald jedoch verteidigt sie ihre Brüder gegenüber ihrer Lehrerin in der Gewerbeschule, denn sie merkt, dass diese nichts Schlechtes getan haben. Außerdem ist es auch ihr Wunsch, das Leben der Menschen auf dem Dorf mit den erbärmlichen beengten Wohnverhältnissen zu verbessern. Nach Abschluss ihrer Lehre als Schneiderin arbeitet sie unter anderem als Näherin für die Direktorin des heimatlichen Gutes. Als der Direktor die Arbeiter seines Gutes als Halbtiere bezeichnet, wird ihr bewusst, dass Menschen ihrer sozialen Herkunft keinerlei Wertschätzung erfahren und total erniedrigt und gedemütigt werden.

Der Erste Weltkrieg verändert die Situation entscheidend. Terka gerät in der Hauptstadt in den Strudel der politischen Ereignisse, erlebt Demonstrationen und Erschießungen, hört in den Straßen Lieder und Gesänge wie das Kossuthlied und die Internationale. Sie verliert drei Brüder im Krieg, auch ihren Lieblingsbruder Gyurka, der nach seiner Walz in der Schweiz gelebt und ihr von den Fortschritten in diesem Land berichtet hatte. Sie nimmt ihm das Versprechen ab, in die Schweiz zu fahren, um dort Demokratie zu lernen.

Das Bild des Frühlings zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman. Es ist der Frühling, der für Terka bei einer Reise zum Vater und dem Onkel einige Überraschungen bereithält. Und schließlich ist es im Frühling 1919, als in Ungarn die Räterepublik gegründet wird.

Es ist, als ob auch in Terka der Frühling erwacht, denn sie weiß jetzt, was es heißt, Sozialist zu sein. Sie ist jetzt in der Gewerkschaft aktiv, hält Vorträge, spricht auf Versammlungen und wird später Mitglied der sozialdemokratischen Partei. Sie sieht keinen anderen Lebenszweck als zu vermitteln und zu helfen, für die Menschen auf der Puszta - menschenwürdige Lebensbedingungen herbizuführen. Diesem Ziel ordnet sie alles unter und ist auch nicht bereit, eine Ehe einzugehen.

Später löst sie das Versprechen ein, das sie ihrem Bruder Gyurka gab, und reist in die Schweiz, wo sie als Schneiderin arbeitet. Die Lebensverhältnisse auf der Puszta haben sich zum Guten gewendet. So gesehen ist auch hier Frühling und mit ihm neue Hoffnung erwacht.

(Dr. Helga Miesch, Brentano-Gesellschaft, 17.3.2014). Original Rezension


"Was wir hier lesen, ist [...] der Text der Großmutter mütterlicherseits, sachte ergänzt und 'verbessert' von der Enkelin. Hier spricht ein junges Mädchen, ein Teenager, der die Welt kennen lernen will, sich und die Seinen ungerecht behandelt fühlt – und vor allem aus übervollem Herzen die Welt, namentlich ihre ungarische Welt, verbessern will." [...]

"Das Buch ist spannend geschrieben; der Leser erfährt sehr viel über Politik und Gesellschaft, nicht nur in österreich-Ungarn und über die Zeit der großen Umbrüche zwischen 1907 bis kurz nach dem 1. Weltkrieg.
Was aber unbedingt fehlt, ist ein Vorwort, wie die Autorin Regina Rinaku zur Geschichte ihrer Großmutter Kató Kiss kam.

Schön wäre auch ein Nachwort gewesen: Was wurde aus Terka? Hat sich die Schweiz wirklich als das 'gelobte' Demokratie-Land erwiesen? Und einige Anmerkungen dazu, wozu der hier im Buch noch 'harmlos' beginnende Kommunismus in Wirklichkeit geführt hat. Historisch nicht richtig ist nämlich: Die Beseitigung einer Diktatur ist nicht zwangsläufig die Einführung einer Demokratie. Auch wenn die junge, völlig unwissende und idealistisch gesinnte Terka das damals so gesehen haben mag. Aber als Frau Szabò in Zürich, Jahrzehnte später, muss sie gewusst haben, was aus dieser Revolution für das arme Volk Russlands geworden ist. Das hätte die Enkelin nicht so kommentarlos stehen lassen sollen.

Das würde für den heutigen Leser diesen interessanten historischen Roman abrunden, zumal man immer wieder feststellen muss, wie wenig der Westen von Ungarns Geschichte – insbesondere von der Geschichte nach dem 1. Weltkrieg - überhaupt weiß."

(Gudrun Brzoska, Ehinger Bibliothek, 27.12.2013). Vollständige Rezension


Der Roman 'Terka' der Autorin Katò Kiss erzählt die frühe Lebensgeschichte Farago Terkas, die im Ungarn des angehenden 20. Jahrhunderts in armen, ländlichen Verhältnissen aufwächst. Im Alter von 15 Jahren beschließt sie ihren älteren Brüdern in die Großstadt zu folgen – zum einen, um dort in die Lehre als Damenschneiderin zu gehen und damit in die gesellschaftliche Schicht der Handwerker aufzusteigen, zum anderen um ihre Brüder aus den Fängen der vermeintlich gottlosen sozialistischen Bewegung zu befreien. Als Terka nach abgeschlossener Lehre jedoch selbst Zeugin der gesellschaftlichen Missstände ihres Landes wird, beginnt auch sie sich zunehmend für die Ideen der Sozialisten zu engagieren.

Bereits im Prolog erhält der Leser tiefe Einblicke, welchen Ungerechtigkeiten eine Familie ausgesetzt ist, die im Dienste eines ungarischen Landverwalters steht. Während das großzügig angelegte Schloss eines Grafen in der Puszta mit hohem Kostenaufwand gepflegt wird, bleiben den Angestellten und ihren Familien nur spärliche Behausungen, in denen sie zusammen mit Fremden auf engstem Raume leben müssen. Terkas Eltern gelingt es trotz größter Anstrengungen nicht, diesem Schicksal zu entkommen und genug Geld für einen eigenen Hof anzusparen. Terka selbst sieht daher nach Beendigung der Schule die einzige Chance darin, dem Leben auf dem Lande den Rücken zuzukehren und für eine Lehre nach Budapest zu ziehen. Dort lebt sie bei ihrem ältesten Bruder Jani und dessen Frau. Trotz anfänglicher Aversionen gegenüber den Idealen ihrer Brüder beginnt Terka sich für die Forderungen der Sozialisten zu interessieren und die Zeitung Népszava, die Volksstimme, zu lesen. Sie erfährt einiges über die Situation der Arbeiterbewegung im Ausland und wird im Mai 1912 Zeugin der ersten großen Demonstration in Budapest, die jedoch von der Polizei gewaltsam niedergeschlagenen wird.

Als ausgebildete Damenschneiderin reist Terka regelmäßig für mehrere Wochen in ihre Heimat, wo sie für die Familie des Direktors arbeitet und das Leben der Mittelschicht kennenlernt. Sie wird konfrontiert mit deren abschätzigen Bemerkungen gegenüber den vermeintlich untüchtigen Landarbeitern, zu deren Schicht auch ihre Eltern gehören. Aus Angst vor negativen Konsequenzen für ihren Vater wagt Terka keinen Widerspruch. Doch sie besucht nun regelmäßig politische Abendveranstaltungen der Sozialisten, um einen Weg zu finden, die ungerechten Verhältnisse in ihrer Heimat abzuschaffen. Neu geknüpfte Kontakte ermöglichen es ihr, auf der Frauenversammlung vor großem Publikum zu sprechen. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Sommer 1914 schürt in Europa die Hoffnung, dass sich das Zeitalter der Monarchie dem Ende neigt. Doch der Preis ist hoch: Terka verliert im Krieg ihren geliebten Bruder Gyurka. In der unsicheren Nachkriegszeit wird das nun eigenständige Ungarn innerhalb eines Jahres zuerst vom Ungarischen Nationalrat, dann von der kommunistischen Räterepublik regiert. Aufgrund der Beschlüsse im Vertrag von Trianon gehen im Jahre 1920 zwei Drittel der gesamten Staatsfläche an Nachbarländer verloren. Der Roman schließt mit Terkas Flucht in die Schweiz vor der neuen autoritären Ungarischen Sowjetrepublik.

Das Werk von Katò Kiss, revidiert von Regina Rinaku, zeichnet sich durch seinen ausgereiften, sehr bildhaften Sprachstil aus. Besonders hervorzuheben ist auch der abwechslungsreich angelegte inhaltliche Aufbau. Neben der persönlichen Entwicklung Terkas sind gekonnt Schilderungen historischer Fakten mit in das Werk eingearbeitet, die den Einblick des Lesers in die Zusammenhänge jener Zeit ungemein steigern. Die Autorin beschränkt sich bei diesen Darstellungen nicht auf die Geschehnisse in der österreichischungarischen k.u.k. Monarchie, sondern lässt regelmäßig auch Informationen über die sozialistischen Errungenschaften in anderen europäischen Ländern mit in das Werk einfließen. So finden beispielsweise die Einführung des Achtstundentages in Schweden oder die englische Frauenrechtsbewegung der Sufragetten Erwähnung. Der Einblick des Lesers in die sozialen Umstände der Zeit wird ergänzt durch kurze Abschnitte, die das Leben der Gräfin Krisztina und ihrem Mann Graf Frigyes schildern, sowie durch Kapitel, in denen Terkas Vater und ihr Großonkel von ihren Lebenserfahrungen berichten.

Aufgrund des im Text vordergründig behandelten Themas der sozialen Gerechtigkeit, das in der heutigen Zeit wieder von hoher Aktualität ist, der am Beispiel Ungarns vermittelten Einblicke in die europäische Geschichte des frühen 20. Jahrhunderts und natürlich der sprachlich sehr gelungenen Umsetzung, geht das Lektorat davon aus, dass 'Terka' eine breite Leserschaft ansprechen kann und empfiehlt es daher zur Publikation.

(Steffen Jungmann, Lektoratsgutachten, 17.12.2012)

 


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